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ZWEITWEINE LIEGEN IM TREND

Wer an Zweitweine denkt, denkt häufig zu allererst an Bordeaux. Praktisch jedes große und kleine Château füllt einen derartigen Wein aus der zweiten Reihe ab. So kommt vom Château Angélus in Saint-Emillion neben dem Angelus, einem Premier Grand Cru Classe A, etwa der Carillon d’Angélus, vom berühmten Château Margaux im Medoc der Pavillon Rouge du Château Margaux.

Obwohl „nur“ Zweitweine, sind sie für sich genommen schon absolute Spitzenweine und mit Preisen um die 100 beziehungsweise 200 Euro längst keine Schnäppchen, aber dennoch um einiges preiswerter als ihre großen Brüder. Aber natürlich gibt es auch unter den Zweit-Bordeaux etliche sehr gute Tropfen, die für relativ kleines Geld zu haben sind.

Entscheidend ist, dass auch diese Zweitweine immer den Charakter und die Stilistik des jeweiligen Weinguts widerspiegeln sollten. Und längst sind die Zweitweine nicht mehr auf das Bordeaux oder auf Frankreich beschränkt. So besitzt etwa Mallorcas wohl bekanntester Rotwein, der AN/1 der Bodegas Anima Negra, mit dem AN/2 (ca. 19 Euro) eine überaus trinkenswerte, etwa nur halb so teure Alternative.

SECONDI VOM STIEFEL

Was dem einen das Bordeaux, ist dem anderen die Toskana. Hier finden sich bekannte Klassiker wie der Ornellaia, eine ausdrucksstarke Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdor und Cabernet Franc. Für den Kultwein aus Bolgheri muss man jedoch dem Weinhändler seines Vertrauens auch etwa 200 Euro hinblättern – doch das sollte man sich in jedem Fall einmal gönnen. Zudem lässt Winemaker Axel Heinz einen auch sonst nicht im Regen stehen und hat mit dem Le Serre Nuove (um die 50 Euro) einen hervorragenden „secondo“ in die Flasche gebracht, der seinem großen Bruder in Eleganz und Komplexität kaum nachsteht. Dafür werden Trauben aus denselben Weingärten wie für den Ornellaia geerntet, jedoch aus der zweiten Lese und in der Regel von den jüngeren Rebstöcken. Mit dem aktuellen 2017er Jahrgang feiert der Le Serre Nuove dell’Ornellaia im Übrigen sein zwanzigjähriges Jubiläum.

Ein anderer toskanischer Kultwein ist der Luce (ca. 100 Euro) der Tenuta Luce delle Vite von Frescobaldi, sein kleinerer Partner der Lucente (ca. 28 Euro), ein für den berühmten Weinort Montalcino ungewöhnlicher Blend aus Merlot und Sangiovese von den jüngeren Weinbergen der Tenuta. Der Luce war der erste Wein aus Montalcino mit dieser Rebesorten-Kombination und ging aus einer Coproduktion von Vittorio Frescobaldi und dem amerikanischen Starwinzer Robert Mondavi hervor. Wo wir schon einmal in dem berühmten Weinort sind. Vom Weingut Giodo in Montalcino kommt als eleganter Zweitwein des Giodo Brunellos der vollmundige La Quinta Rosso Toscana IGT 2018 (um die 30 Euro) mit feinen Tanninen, ein junger Botschafter der Sangiovese- Traube vom Starönologen Carlo Ferrini.

Paradewein der Tenuta di Ghizzano ist der Veneroso DOC Terre di Pisa, ein
Sangiovese mit einem Hauch Cabernet Sauvignon, einer der traditionellen
Weine des Gebiets. Klare Nummer zwei ist der Nambrot, IGT Costa Toscana, ein Blend aus
Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot, der seit 1996 den Gutscharakter
mit Eleganz und Wärme interpretiert.

Apropos Sangiovese. Sie ist immer noch die Hauptrebsorte in der Toskana und vor allem im Chianti allgegenwärtig. Die Aushängeschilder der Weingüter dort laufen praktisch alle als „Chianti Classico Riserva“, so auch der Castello di Meleto Chianti Classico Gran Selezione DOCG 2016 (45 Euro), ein typischer Vertreter seiner Art mit schöner Frucht und angenehmen Tanninen. Vorteil im Chianti: Meist haben die Top-Produkte gleich mehrere kleine Brüder und Schwestern.

So könnte man bei Castello di Meleto beispielsweise zu einem „Meleto“ Chianti Classico DOCG 2017 (15 Euro), aber ebenso gut auch zum Borgaio Toscana Rosso IGT 2017 (11,50 Euro) greifen, einer unkomplizierten Cuvée aus Sangiovese und Merlot, die bestens zur italienischen Küche passt. Zu letzterer, besonders zu Meeresfrüchten, passen auch die Weißweine des Weinguts Siddùra. Hier hat man sich ganz auf die Rebsorte Vermentino spezialisiert und kreiert ausdrucksstarke, charaktervolle Tropfen. Spitzenprodukt ist der sehr komplexe Siddùra Bèru (Bèru etruskisch = edel) DOCG Superiore (ca. 36 Euro) mit Aromen von Vanille, Thymian und Honig. Der „secondo“ ist der Siddùra Maia (Maia = Magie) DOCG Superiore (ca. 22 Euro), ein ausgewogener, frischer und würziger Wein mit satter, strohgelber Farbe, der bei jedem sommerlichen Dinner eine „bella figura“ abgibt.

Schauen wir nach Norden Richtung Alpen ins Trentino, finden wir dort eine der erfreulichsten Erst-Zweit-Wein-Liaisons. Der San Leonardo (60 Euro) des gleichnamigen Weinguts ist eine Cuvée mit Bordeaux-Stilistik aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Carmenère und einer der großen Rotweine Norditaliens. Der Terre di San Leonardo (12,50 Euro) zeichnet sich mit seinen Aromen von dunklen Früchten, Beeren, Bergkräutern und einem Hauch Tabak durch die gleich Komplexität und Geschmeidigkeit aus wie der Topwein des Traditions-Weinguts.

UND IN DEUTSCHLAND?

Aber auch noch weiter nördlich, in den deutschen Anbaugebieten, sind Zweitweine durchaus ein Thema – nur werden sie hierzulande in der Regel nicht als solche vermarktet. So haben etwa die Weingüter des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) neben ihren Top-Weinen aus den „Großen Lagen“ natürlich immer noch zahlreiche andere Weine im Keller, wo sich meist eine erstklassige Nummer Zwei – das kann etwa eine „Erste Lage“ sein oder auch ein „Gutswein“ – finden lässt. Aber in Deutschland ist das nicht immer so einfach, denn oft stehen bei Spitzenweingütern, anders als etwa im Bordeaux, mehrere Weine auf einer Qualitätsstufe gleichberechtigt nebeneinander.

Ein Beispiel ist Gut Hermannsberg: Das Weingut an der Nahe besitzt ausschließlich Große Gewächs-Lagen wie Schloßböckelheimer Kupfergrube (Kupfergrube Riesling GG Reserve 2015 für 55 Euro) oder Traiser Bastei (z. B. Bastei Riesling Großes Gewächs 2016: 47 Euro) und zwar gleich sieben davon. Die jüngeren Riesling-Reben aus diesen ehrwürdigen Weinbergen werden separat geerntet und zu einem besonderen Gutswein namens „7 Terroirs“ (11,90 Euro) vermählt. Es ist eine außergewöhnliche Cuvée, die mit dem 2018er Jahrgang ihre Premiere feierte. Der Wein zeigt deutlich die charakteristische Handschrift von Winzer Karsten Peter: spontan vergoren, sehr dicht, mit saftiger Frucht, mineralischen Noten und einfach kompromisslos fein.

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